Redebeitrag zum Resolutionantrag "Betreuungsgeld"

Rede im Kreistag am 07.07.2012

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

bereits im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP vereinbart, dass ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll. Ich zitiere aus der Homepage der Bundesregierung am 8.6.2012:

„Ab Januar 2013 wird Betreuungsgeld zunächst in Höhe von 100 Euro monatlich für Kinder im 2. Lebensjahr gezahlt. Ab Januar 2014 gibt es das Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich für Kinder im 2. und 3. Lebensjahr. Es wird – ebenso wie Elterngeld und Kindergeld – als Einkommen gewertet und deshalb bei Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Kinderzuschlag angerechnet. Die Kosten belaufen sich im 1. Jahr auf 300 Millionen Euro, 2014 auf 1,1 Milliarden Euro und ab 2015 schätzungsweise auf 1,23 Milliarden Euro jährlich.“

Ab dem 1. August 2013 besteht für jedes Kind ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab Vollendung des 1. Lebensjahres.

Auf dem bundesweiten „Krippengipfel“  2007 wurden die Ziele für die U 3-Betreuung festgelegt:  Bis 2013 sollen für 35 % der Kinder unter 3 Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. Der Anteil an Tagesmüttern an diesen Betreuungsplätzen soll erheblich höher sein als in der Vergangenheit.

Inzwischen ist klar, dass die angenommenen 35 % deutlich zu wenig sind. Neben den Räumlichkeiten fehlt es vor allem an qualifiziertem Personal. Es werden nicht nur zu wenige Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet. Viele verlassen den Beruf bald nach der Ausbildung wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und insbesondere wegen der nicht angemessenen Bezahlung.

Für den  Krippenausbau fehlten erhebliche finanzielle Mittel. Hier wird der Schwarze Peter zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden umher geschoben. Letztlich baden die Kommunen die Unterversorgung aus, denn die Klagen der Eltern werden sich gegen die Kommunen richten und aller Wahrscheinlichkeit nach aussichtsreich sein. Das heißt, die Kommunen werden Schadensersatzansprüche leisten müssen, die dann wieder für den Ausbau oder Anderes fehlen. Um dem entgegenzuwirken, hat Bundesfamilienministerin Schröder ein 10-Punkte-Programm vorgestellt. Darin finden sich Vorschläge wie z.B.: Festanstellung von Tagespflegepersonen, Stärkung der Kindertagespflege und zinsgünstige Kredite für den U-3-Ausbau.

Die  Fraktion DIE LINKE hält das für wenig konkret und erst recht nicht für besonders hilfreich.

Die Mittel, die für das Betreuungsgeld geplant sind, wären aber tatsächlich eine echte Unterstützung, wenn sie für den Ausbau der U-3-Betreuung eingesetzt würden. Mit der Begründung, Wahlfreiheit für Eltern  sicherzustellen, soll das Betreuungsgeld eingeführt werden.

Dagegen sprechen viele Gründe.

Wenn eine Familie wirtschaftlich auf das Einkommen beider Eltern angewiesen ist, sind 100 Euro bzw. 150 Euro keine Summe, mit der das fehlende Einkommen kompensiert werden kann.

Die derzeitige Lösung wird bei den Familien, die sich ohnehin für das traditionelle Modell der Frau im Haus (in den seltensten Fällen umgekehrt) entschieden haben, zu erheblichen Mitnahmeeffekten führen.

Familien mit geringem Einkommen, und hier besonders Alleinerziehende, werden sich aus wirtschaftlichen Gründen  sehr genau überlegen, ob sie ihre Kinder in die Kita geben. Kitabetreuung verursacht Kosten und verbunden mit geringem Einkommen und entstehenden  Fahrtkosten zu Kita und Arbeitsplatz  ist das oft nicht mehr wirtschaftlich. Dann werden Überlegungen sinnvoll, ob man das  „Zuhausebleiben“  mit 100 bzw. 150 Euro Taschengeld vorziehen soll.

Bei dem „Mitnahmeeffekt“ fragt man sich auch, ob in Deutschland nur noch eine bestimmte Klientel Kinder bekommen sollte, da die finanziellen Anreize nur bei den schon finanziell besser Gestellten ankommen wird.

Wenn nicht für alle Kinder ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht, kann von echter „Wahlfreiheit“ keine Rede sein.

Und:  Beim Betreuungsgeld fallen alle emanzipatorischen und pädagogischen Argumente hinten runter!

Frauen, die dem Arbeitsmarkt länger fern bleiben, haben es wesentlich schwerer, später überhaupt wieder Arbeit zu finden!

Qualifikationen entwerten sich und die eigenständige Altersversorgung wird erheblich geschmälert - und damit steigt die Gefahr der Altersarmut!

Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass ein früher Krippenbesuch der Entwicklung der Kinder gut tut!

Besonders Kinder bildungsferner Eltern profitieren vom Krippenbesuch. Auch für Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist, ist der frühe Besuch einer Kindereinrichtung hilfreich.

Aber genau diese Zielgruppen werden mit dem „Hausfrauentaschengeld“ dazu veranlasst, ihre  Kinder nicht in eine Einrichtung zu schicken.

Hinzu kommt die zutiefst soziale Ungerechtigkeit, dass das Betreuungsgeld voll auf Hartz IV angerechnet wird. Damit werden erwerbslose Familien diskriminiert!

Hier sollen die Mitnahmeeffekte verhindert werden!

Alleinerziehende Mütter und Väter werden mit dieser Regelung quasi per se ausgeschlossen, denn Alleinerziehende können sich und ihre Kinder in der Regel nur versorgen, wenn sie entweder berufstätig sind oder Hartz IV beziehen.

Die CDU hat nun das Gesetz geschaffen, das jedem Kind einen Krippenplatz zusichert. Es wird immer deutlicher, dass dieses Gesetz nicht einzulösen ist: Es ist eigentlich ein milliardenschweres Geschenk an Eltern, denen damit weder wirtschaftlich noch emanzipatorisch und schon gar nicht pädagogisch gedient ist.

Wir LINKEN meinen: Statt eine Milliarde Euro jährlich für Betreuung auszugeben, sollte dieses Geld besser in die öffentliche Kinderbetreuung gesteckt werden. Das würde zunächst helfen, den Bedarf zu decken.  Später würde das Geld für mehr Qualität und bessere Bezahlung zur Verfügung stehen und vielleicht kämen wir am Ende sogar zu einer gebührenfreien Kinderbetreuung.

 

Waltraud Eisenträger-Tomcuk


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